Hl. Nikolaj Velimirović
Zum Sonntag der Orthodoxie [1]

Dies ist der Glaube der Apostel,
dies ist der Glaube der Heiligen Väter,
dies ist der Glaube der Orthodoxen,
dieser Glaube hat die Welt befestigt.
 
 
Der Sonntag der Orthodoxie ist das Fest der Siege der Orthodoxen Kirche in der Vergangenheit. Diese Siege der Vergangenheit sind das ethische Kapital der Orthodoxen Kirche, ihr Kreuz und ihre Nahrung. Dies ist von großer Wichtigkeit und Bedeutsamkeit.  Doch diese Siege aus der Vergangenheit der Kirche sind auch die Inspiration und die Treibkraft für ihre Siege in der Gegenwart und in der Zukunft, und das ist das Wichtigste.

Es ist das Wichtigste, weil der Ruhmeskranz den Siegern verliehen wird und nicht denen, die die Siege anderer feiern. Denn im Buch der Wahrheit steht geschrieben: „Wer siegt, wird dies zum Erbe empfangen, und Ich werde ihm Gott sein und er wird Mir Sohn sein“ (Offb 21,7). Der Lohn Gottes wird mithin den Siegern gewährt und nicht denen, die nur die Siege ihrer Väter feiern.

Das bedeutet allerdings nicht, dass es bedeutungslos wäre, die Siege der Väter zu feiern. Im Gegenteil, das Feiern der früheren Siege ist von entscheidender Bedeutung zur Sicherung neuer Siege, denn die Siege des Vaters spornen auch die Söhne an zu Siegen.

Betrachten wir die Sieger dieser Welt und ihre Siege. Über die Jahrhunderte hinweg begeisterte Achilles die jungen Griechen und spornte sie an zum Sieg. Wenn die griechischen Mütter ihre Söhne in den Krieg schickten, pflegten sie ihnen zu sagen: „Toter oder Sieger.“ Kralievic Marko errang zu seinen Lebzeiten hundert Siege. Und seither hat er durch sein inspirierendes Beispiel Tausende zum Sieg geführt. Desgleichen Milos Obilic und Vanos Strahinic und andere orthodoxe Helden der Serben, aber auch anderer Völker. Nicht nur die Feigheit ist ansteckend, sondern auch der Heldenmut. Der Feigling, der ruft: „Laßt uns fliehen, wir verlieren!“, weckt Angst in der Truppe. Doch wer ruft: „Vorwärts, der Feinde ist schon besiegt!“ weckt Heldenmut. Derjenige, der die Helden verherrlicht, wird gleichsam „angesteckt“ vom Heldentum. Wer die Sieger verherrlicht, wird ergriffen vom Verlangen, selbst Sieger zu werden.

Was für die weltlichen Kriege gilt, gilt in noch höheren Maß für den geistigen Krieg. „Doch faßt Mut, Ich habe die Welt besiegt“, sagte der Erlöser Seinen Jüngern (Joh 16,33). Und Er sagte es nicht nur, sondern Er vollzog es auch in Tat und Wahrheit. Er besiegte den Fürsten dieser Welt, Er besiegte die Sünde, Er besiegte auch den Tod. Und indem die Apostel Seine Siege sahen und sich inspirierten daran, wurden auch sie selbst zu Siegern. An den Aposteln wiederum inspirierten sich deren Nachfolger, und an diesen letzteren deren Nachfolger. Eine christliche Generation nach der anderen erbrachte Großtaten und erlangte Ruhm, indem sie sich an den Siegen und Siegern der vorangehenden Generation inspirierte. So wie eine Welle neue Wellen erzeugt, so auch brachte das eine siegreiche Heer Christi das nächste siegreiche Heer des Erlösers hervor.

Auf diese Weise wurde der lebendige Strom der Kirche Gottes im Laufe der zwanzig Jahrhunderte ihrer Geschichte  immer breiter, tiefer und mächtiger und begoß mit seinen lebenspendenden Wassern und mit Lichtglanz die vier Seiten der Welt. Die einzige Quelle dieses Stroms ist Christus, aus Ihm ist all das lebendige Wasser, aus Ihm die mächtige Flut von Zeitalter zu Zeitalter und von Generation zu Generation.
 

Das Christentum ist nicht Religion sondern Revolution.
Neue Siege als Pflicht und Freude
 
Jemand hat gesagt, das Christentum sei nicht Religion, sondern Revolution. Dieser Ausspruch ist richtig, sofern der Begriff „Revolution“ im geistigen und ethischen Sinn verstanden wird als Umwerfung der Unwahrheit, der Ungerechtigkeit und der Unbarmherzigkeit, zuerst in uns selbst und danach in unserer Umwelt. Wo Umwerfung ist, da kommt es zum  Kampf, und wo Kampf  ist, da gibt es auch Sieg. 

Das Christentum ist Kampf vom ersten Tag seiner Geschichte an – vom Suchen und Nichtfinden einer Unterkunft für das göttliche Kind in den Herbergen von Bethlehem bis heute, und von heute bis zum Letzten Tag.

Zugleich ist das Christentum eine lange Kette von Siegen, vom Anfang bis zum Ende. Es siegte sogar noch dort, wo es  besiegt schien. Die verlorenen Schlachten zählte es zu den Siegen. Die Kämpfer, die um des Kostbaren Kreuzes willen fielen in der Schlacht, schrieb es in die Liste der Sieger ein. Die verlorenen Königreiche dieser Welt tauschte es ein gegen das kostbarere Reich, jenes der Himmel.

Während die Kirche als Ganze nicht aufhört, die Revolution voranzutreiben, den Kampf weiterzukämpfen  und Siege zu erringen, ist es möglich, dass einzelne ihrer Glieder den Kampf aufgeben und sich selbst um den Sieg bringen. Hier ist der Ort,  wo die Kirche wie Rachel ihre Kinder beweint, betrauert und beklagt.

Von daher entspringt denn auch das rechte Dogma des Sonntags der Orthodoxie - das Gebot, dass jeder orthodoxe Christ seinen persönlichen Kampf erbringt zur Erlangung eines neuen Siegs. Die alten Siege helfen uns, doch sie retten uns nicht. Die Siege unserer Väter sind unser Erbe, und wir haben die Pflicht, dieses Erbe zu bewahren und durch unsere eigenen Siege zu vermehren.
 
„Wer siegt, dem werde Ich vom Baum des Lebens zu kosten geben, der im Paradiese Gottes steht.

„Wer siegt, wird kein Leid erfahren vom  zweiten Tod.

„Wer siegt, dem werde Ich geben vom Manna, dem verborgenen, und Ich werde ihm einen weißen Stein geben und auf dem weißen Stein eingemeißelt einen neuen Namen, den niemand kennt außer dem, der ihn empfängt.

„Wer siegt und Meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem werde Ich Macht geben über die Heidenvölker.

„Wer siegt, wird bekleidet werden mit einem weißen Gewand, und Ich werde seinen Namen nicht tilgen aus dem Buch des Lebens, und Ich werde seinen Namen bekennen vor Meinem Vater und Seinen Engeln.

„Wer siegt, den werde Ich zur Säule der Kirche Meines Gottes machen, und Ich werde auf ihn den Namen Meines Gottes schreiben.

„Wer siegt, dem werde Ich gewähren, mit Mir auf Meinem Thron zu sitzen.

„Wer siegt, wird dies zum Erbe empfangen, und Ich werde ihm Gott sein, und er wird Mir Sohn sein.“  (Offb 2,7; 2,11; 2,17; 2,26; 3,5; 3,12; 3,21; 21,7)
 
Dies steht geschrieben im mystischen Buch der Offenbarung Gottes. Dies sagt der Große Sieger, durch Den wir alle Sieger werden können. Dies sagt der einzige Sündenlose und Unbesiegbare, Dessen Namen ist: Alpha und Omega, und Dessen anderer Name ist: Amen.
 
Quelle: www.prodromos-verlag.de


[1] Der vorliegende Text ist ein Auszug aus einer Enzyklika des Hl. Bischofs Nikolai von Ochrid und Žiča (1880-1956) zum Sonntag der Orthodoxie des Jahres 1938. Übers. vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania 2012, aus der griechischen Fassung in Εμπνευσμένα Κείμενα Αγίου Νικολάου Αχρίδος, Verlag Orthodoxos Kypseli, Thessaloniki.


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