Hl. Nikolaj Velimirović
Orthodoxe Kirche und Weltfriede 

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Euch scheint, die Orthodoxe Kirche interessiere sich kaum für den Frieden in der Welt, und das bekümmert euch. Wie das: kaum? Wer könnte sich inniger nach dem Frieden sehnen als die Geplagten und die Martyrer? Und die orthodoxen Völker sind in der Tat geplagt und martyrisiert. Dies schreibe ich, ohne mich zu brüsten und ohne mich zu beklagen, sondern allein zum Zeugnis für die geschichtliche Tatsache des Martyriums.

In eurer eigenen Sprache gibt es Geschichtsbücher und Reiseberichte, in welchen Ihr Schilderungen der sich über Jahrhunderte erstreckenden Leiden und Qualen der orthodoxen Völker finden könnt. Und diese zeigen nur einen verschwindend kleinen Teil jenes unbeschreib-lichen Ozeans von Leiden, auf dem die orthodoxen Völker seit vielen Jahrhunderten segeln. Wenn die reichen und freien Völker den Frieden suchen, so tun sie das, fürchte ich, ohne seiner ernsthaft zu entbehren, während die geplagten und armen Völker denselben suchen als eine notwendige Ruhepause.

Es versteht sich daher von selbst, dass die Orthodoxe Kirche, als Hüterin und Ernährerin der orthodoxen Völker, von ganzem Herzen den Frieden wünscht und nicht den Krieg. Deshalb werden in unseren Kirchen jeden Morgen und jeden Abend Gebete erhoben für den Frieden in der Welt. Warum Gebete? Weil wir Orthodoxen glauben, dass der Friede in der Welt ein Geschenk Gottes ist, ebenso wie das milde Wetter, die Fruchtbarkeit, der Regen, die Gesundheit und das Leben selbst. Deshalb beten wir zum Spender aller guten Gaben, damit Er der Welt den Frieden schenke.

Der Friede folgt aus der Tugend

Ihr wißt, dass der Friede eine Folge der Tugend ist und nicht das Ergebnis politischer Geschicklichkeit. Ihr wißt, dass die Engel Gottes in ihrem Hymnos über der Höhle von Bethlehem an den ersten Platz die Verherrlichung Gottes stellten und den Frieden auf Erden an den zweiten: "Ehre sei Gott in den Höhen und Friede auf Erden, guter Wille unter den Menschen" (Lk 2,14).

Wie könnten diejenigen, die nicht zuerst mit Glauben und Gebet den Allerhöchsten, ihren Schöpfer, verherrlichen,  Frieden in ihrer Seele haben, und wie können sie den, welchen sie nicht in sich selbst haben, der Welt darbringen? 

Ihr kennt fernerhin das Wort des Apostels Paulus, wo er über Christus sagt: "Denn Er ist unser Friede" (Eph 2,14). Was weiter soll ich sagen? Ihr kennt ja selbst das ganze Evangelium Christi, das in seinem Wesen die in der Welt einzig dastehende Wissenschaft vom Frieden ist. Und da Ihr all das kennt, wie könnt Ihr anders denken als dass der Friede die Folge der Tugend ist und nicht das Werk der Geschicklichkeit und dass der Friede sich allein durch die Tugend erlangen läßt und niemals durch Geschicklichkeit?

Nehmt zum Beispiel eine Familie, in welcher der Mann und die Frau, beide gleicherweise ohne Tugend, bloß mit Hilfe einer Methode Frieden schließen miteinander. Kann der Friede in einer solchen Familie von langer Dauer sein? In einer Familie hingegen, wo Gott verherrlicht wird, wo Ehrlichkeit und Integrität herrschen, da ist der Friede von alleine da, nämlich als Folge der Tugend, geradeso wie Wärme und Licht da sind als Folge des Feuers.

So verhält es sich auch mit einem Volk und mit der gesamten Menschheit. Wäre nicht in der ganzen Welt die Tugend ins Wanken geraten, würden wir nicht so viel über den Frieden reden. Denn dann würde aus der Tugend der Friede fließen. Heute redet man in der Welt mehr über den Frieden als zu irgendwelchen früheren Zeiten, und zugleich begehen die Menschen mehr Ehebruch als je zuvor. Und man redet über den Frieden nicht etwa mit dem Ziel,  zurückzukehren zur Tugend als der unerläßlichen Voraussetzung für den Frieden, sondern um den Frieden zurechtzuzimmern mit Hilfe von Methoden, von Geschicklichkeit.


Christus der Grundstein des Friedens

Doch sowenig wie man beim Hausbau mit dem Dach anfangen kann, statt mit dem Fundament, sowenig läßt sich der Friede erbauen, bevor die Tugend erlangt ist. Fundament und Urheber jeder Tugend aber ist für uns Christen unser Herr und Erlöser Jesus Christus. Wer anders könnte der Grundstein des Weltfriedens sein als Derjenige, Der als Einziger "Fürst des Friedens" genannt wird (Is 9,5).

Die Orthodoxe Kirche wird mit großer Freude und Bereitwilligkeit für den Frieden zwischen den Menschen alle Opfer erbringen, die Gott und die Menschheit von ihr erwarten, wenn die Führer der Völker bereit sein werden, den Frieden in der Welt zu begründen, indem sie Gott verherrlichen, statt ihre Vorfahren der alten Zeit nachzuahmen, die in Gegnerschaft zu Gott den Turm von Babel erbauten, im Vertrauen auf ihre Geschicklichkeit allein; wenn Nationen und Völkerschaften im Gebet ihre Hände ausstrecken werden zum Allerhöchsten, wenn das Fasten ausgerufen und Enthaltung von allen Ausschweifungen angeordnet wird, zumindest für eine gewisse Zeit, wenn jede Blasphemie gegen den Schöpfer der Welt streng verboten wird, wenn bewußt jede Tugend gefördert und klar als Voraussetzung des Friedens dargelegt wird.

Bis dahin wird die Orthodoxe Kirche tun, was sie kann. Sie wird ihre Gläubigen die Tugend lehren  Sie wird sie stärken im Glauben und in der Liebe, und so wird sie sie fähig machen zum Frieden untereinander. Sie wird auch tagtäglich beten zum Fürsten des Friedens, damit Er alle Menschen würdig mache, das göttliche Geschenk des Friedens auf Erden zu empfangen.

Frieden Euch und Freude vom Herrn


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